Umsatzsteuer: Antrag auf Ist-Besteuerung auch konkludent möglich

Steuerberater online: Antragsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer gilt als Genehmigung

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In seinem kürzlich veröffentlichten Urteil erklärte der Bundesfinanzhof auch einen konkludenten Antrag auf Ist-Besteuerung für möglich.

Was bedeutet Soll-Besteuerung?

Gemäß § 16 des Umsatzsteuergesetzes ist die Umsatzsteuer grundsätzlich nach vereinbarten Entgelten zu berechnen, die sogenannte „Soll-Besteuerung“. Damit entsteht die Umsatzsteuerschuld, die ein Unternehmer zu zahlen hat, bereits zu dem Zeitpunkt, in dem die Leistung ganz oder teilweise erfolgt ist. Die Umsatzsteueranmeldung geschieht allerdings oft erst zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung. In der Regel noch später erfolgt die Zahlung durch den Kunden. Bei der Soll-Besteuerung werden Rechnungen, die der Unternehmer erstellt und auch Rechnungen, die er erhält, in der Umsatzsteuer-Voranmeldung nach dem jeweiligen Rechnungsdatum berücksichtigt. Dadurch entsteht für den Unternehmer ein Liquiditätsnachteil, da er die Umsatzsteuer dem Finanzamt vorstrecken muss und den Umsatzsteuerbetrag erst bei Zahlung des Kunden zurückerhält.

Was bedeutet Ist-Besteuerung?

Um diesen Nachteil für Unternehmer abzumildern, kann das Finanzamt auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen jedoch gestatten, dass ein Unternehmer die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach vereinnahmten Entgelten berechnet (die sogenannte „Ist-Besteuerung“). Bei der Ist-Besteuerung werden die Umsätze des Unternehmers erst in dem Voranmeldungszeitraum gemeldet, in dem der Kunde die Rechnung tatsächlich bezahlt hat. Die Umsatzsteuerschuld des leistenden Unternehmers entsteht erst mit dem Zahlungseingang. Bei der Ist-Besteuerung muss das Unternehmen also nicht in Vorleistung gegenüber dem Finanzamt treten. Ein weiterer Vorteil der Ist-Besteuerung liegt in einer Verwaltungsvereinfachung für den leistenden Unternehmer: Da die Ist-Besteuerung genau wie die Einnahmenüberschussrechnung auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Betriebseinnahmen abstellt, können Unternehmer, die nicht bilanzieren, die für die Umsatzsteuervoranmeldung erforderlichen Angaben aus ihrer Einnahmenüberschussrechnung ablesen.

Für wen kommt die Ist-Besteuerung in Frage?

Grundsätzlich gilt zunächst für alle Unternehmer das Prinzip der Soll-Besteuerung. Bei Erfüllung der folgenden Voraussetzungen kann der Unternehmer einen Wechsel zur Ist-Besteuerung beantragen: • Der Nettoumsatz (ohne Umsatzsteuer) des letzten Kalenderjahres betrug nicht mehr als 500.000 Euro; oder • eine Befreiung von der Buchführungspflicht gemäß § 148 der Abgabenordnung liegt vor; oder • eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 des Einkommensteuergesetzes liegt vor. In diesem Fall spielt die Höhe des Vorjahresumsatzes keine Rolle, d.h. Freiberufler, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, dürfen immer die Ist-Besteuerung beantragen.

Formale Erfordernisse für den Antrag auf Ist-Besteuerung

Der Antrag auf einen Wechsel von der Soll- zur Ist-Besteuerung kann jederzeit gestellt werden und ist an keine bestimmte Form gebunden, allerdings empfiehlt sich ein schriftlicher Antrag. Der Antrag kann auch konkludent, d.h. ohne ausdrückliche Erklärung, gestellt werden, wie der Bundesfinanzhof kürzlich urteilte. Hat das Finanzamt den Antrag auf Ist-Besteuerung genehmigt, gilt diese Genehmigung so lange, bis sie ausdrücklich widerrufen wird, z. B. weil die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Dieser Widerruf kann immer nur zu Beginn eines Kalenderjahres erfolgen. Ein rückwirkender Widerruf ist nur möglich, wenn der Unternehmer gegenüber dem Finanzamt bewusst falsche Angaben gemacht hat.

Vorsteuerabzug bei Soll- bzw. Ist-Besteuerung

Beim Vorsteuerabzug ergeben sich keine Unterschiede, ob der Unternehmer der Soll- oder Ist-Besteuerung unterliegt. Die Vorsteuer kann geltend gemacht werden, sobald eine Leistung für das Unternehmen bezogen wurde und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Die Vorsteuer wird immer in dem Voranmeldungszeitraum abgezogen, in dem die Rechnung vorliegt.

Das aktuelle Urteil des Bundesfinanzhofes

In seinem kürzlich veröffentlichten Urteil erklärte der Bundesfinanzhof auch einen konkludenten Antrag auf Ist-Besteuerung für möglich. Geklagt hatte ein Verein, der seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelte. Im Jahr 2003 und den Folgejahren hatte der Verein eine Einnahmenüberschussrechnung sowie eine Umsatzsteuererklärung abgegeben, in der die Umsätze genauso hoch waren wie die Einnahmen in der Einnahmenüberschussrechnung. Das Finanzamt war der Umsatzsteuererklärung für die betreffenden Jahre gefolgt. Für die Streitjahre 2006 bis 2008 setzte das Finanzamt jedoch die Umsatzsteuer auf der Grundlage der Soll-Besteuerung fest, weil es die Ist-Besteuerung niemals ausdrücklich genehmigt habe. Das Finanzgericht gab dem Kläger mit der Begründung Recht, dass die Übereinstimmung der Umsätze aus der Umsatzsteuererklärung mit den Einnahmen aus der Einnahmenüberschussrechnung dem Finanzamt bekannt gewesen sei und dieses durch die erklärungsgemäße Besteuerung für 2003 die Berechnung nach vereinnahmten Entgelten konkludent genehmigt habe. Diese Auffassung teilte der Bundesfinanzhof und wies die Revision des Finanzamtes zurück.

Voraussetzungen für einen konkludenten Antrag auf Ist-Besteuerung

Gemäß dem Urteil des Bundesfinanzhofes kann ein Antrag auf Ist-Besteuerung auch konkludent gestellt werden. Eine Umsatzsteuererklärung, bei der die Besteuerungsgrundlagen nach den tatsächlichen Einnahmen erklärt wurden, kann allerdings nur dann als konkludenter Antrag auf Ist-Besteuerung angesehen werden, wenn ihr deutlich erkennbar die Erklärung der Umsätze auf der Grundlage tatsächlicher Einnahmen zu entnehmen ist. Das kann sich aus der Einnahmenüberschussrechnung ergeben. Hat ein Steuerpflichtiger einen hinreichend deutlichen Antrag auf Ist-Besteuerung beim Finanzamt gestellt und hat das Finanzamt die Umsatzsteuer antragsgemäß festgesetzt, dann gilt der Antrag als genehmigt.
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