Bundesverfassungsgericht erklärt Erbschaftsteuer-Erleichterungen bei Betriebsvermögen für verfassungswidrig

Steuerberater online: Was bedeutet das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichtes für Firmenerben?

Steuerberater online: Was bedeutet das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichtes für Firmenerben?

Der Bundesfinanzhof in München hat die Bevorzugung der Erben von Betriebsvermögen gegenüber Erben von Privatvermögen scharf kritisiert. Daher legte er die aktuellen Regelungen dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor, das kürzlich darüber entschieden hat.

Wie sah die bisherige Regelung bei Erbschaften von Betriebsvermögen aus?

Das aktuelle Erbschaftssteuerrecht ist seit Anfang 2009 in Kraft. Es sieht eine Begünstigung von Betriebsvermögen, sogenannte „Verschonungsabschläge“, vor. Demnach bleibt der Wert von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften teilweise oder komplett außer Ansatz, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. 85 Prozent des Vermögens bleiben außer Ansatz, wenn zum einen die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft, innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (die sogenannte „Mindestlohnsumme“). Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (also dem Erbschaftsfall) endenden Wirtschaftsjahre. Zum anderen muss der Betrieb für eine 85-prozentige Befreiung mindestens fünf Jahre fortgeführt werden. Beide Voraussetzungen gemeinsam gelten allerdings nur für Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten. Für alle kleineren Betriebe reicht es aus, das Unternehmen die genannte Zeit fortzuführen, um von den Steuervorteilen zu profitieren. Wird die Mindestlohnsumme unterschritten, vermindert sich der Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird. Eine vollständige Außerachtlassung des betrieblichen Vermögens ist möglich, wenn zum einen die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft, innerhalb von sieben Jahren nach dem Erwerb insgesamt 700 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet. Zum anderen muss hierfür der Betrieb mindestens sieben Jahre lang fortgeführt werden.

Warum wurde die bisherige Regelung für ungerecht befunden?

Die Verschonungsabschläge sollten vor allem Familienbetriebe von der Erbschaftsteuer entlasten und somit dem Erhalt von Arbeitsplätzen dienen. Der Bundesfinanzhof hält die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen für verfassungswidrig, da nicht unterstellt werden könne, dass die Erbschaftsteuer grundsätzlich die Betriebsfortführung gefährde. Weil somit die weitgehende oder vollständige steuerliche Befreiung von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen von der Erbschaftsteuer eine ungerechtfertigte und damit verfassungswidrige Überprivilegierung darstelle, hat der Bundesfinanzhof sie dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Gleichstellung von Geschwistern, Nichten und Neffen mit fremden Dritten bei der Erbschaftsteuer erklärte der Bundesfinanzhof dagegen für rechtens.

Was ändert sich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes?

Das Bundesverfassungsgericht hält mehrere Punkte der aktuellen Regelung für verfassungswidrig und greift dabei die Kritik des Bundesfinanzhofs auf. So wird bemängelt, dass die Voraussetzung der Mindestlohnsumme nur von Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern erfüllt werden muss. Etwa 90 % der Betriebe in Deutschland haben aber maximal 20 Mitarbeiter, sodass diese von den Verschonungsabschlägen profitieren können, auch ohne Arbeitsplätze zu erhalten. Zudem können auch Großunternehmen in den Genuss der Verschonungsregel kommen, die eine solche Steuererleichterung überhaupt nicht benötigen. Außerdem ermöglicht es die aktuelle Regelung, durch rechtliche Gestaltung Steuern zu vermeiden, zum Beispiel mit Hilfe von Betriebsaufspaltungen. Aus diesen Gründen hat das Bundesverfassungsgericht die aktuelle Regelung für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat nun bis Mitte 2016 Zeit für eine Neuregelung des Erbschaftsteuerrechtes. Bis zu einem neuen Gesetz gelten die alten Regelungen fort.
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